Dämlichkeit, Frust und Verwirrung – so beschreibt Klaus Marwitz die Gefühle und Emotionen, die wir erleben, wenn wir uns auf den Weg von bewusster Inkompetenz zu bewusster Kompetenz machen. Aber wer ist Klaus Marwitz eigentlich? Vielleicht kennst du ihn bereits, aber falls nicht, glaube ich nicht, dass du zu dämlich oder verwirrt bist. Es gibt keinen Wikipedia-Artikel über ihn, und sicherlich gibt es viele Menschen, die bekannter sind als er. Klaus Marwitz war ein Pädagoge, der sich der „Organisationsveränderung“ widmete. Er gab eine Zeitschrift heraus und schrieb an mehreren Büchern mit bzw. war an ihnen beteiligt.
Zurück zu Dämlichkeit, Frust und Verwirrung. Aber beginnen wir von vorn. Wenn wir lernen, können wir die verschiedenen Zustände in Kategorien unterteilen. Die erste ist die unbewusste Inkompetenz. Du bist unwissend, aber dir ist es nicht bewusst, und deshalb stört es dich nicht. Ein Beispiel dafür ist ein Kind, das noch nie mit einer Fremdsprache in Berührung gekommen ist. Es hat keine Ahnung von den existierenden Sprachstrukturen oder Vokabeln und ist sich nicht bewusst, dass es eine ganze Welt der Kommunikation gibt, die ihm noch unbekannt ist. Es macht sich einfach keine Gedanken darüber, dass Menschen in einer anderen Sprache sprechen könnten.
Nun kommen wir zur zweiten Stufe: der bewussten Inkompetenz. Du kannst genauso viel oder genauso wenig wie zuvor, bist dir dessen aber bewusst. Die meisten Menschen freuen sich darüber nicht und machen sich dadurch das Leben und das Lernen schwer. Das ist dämlich. Wir sollten uns doch freuen, wenn wir erkennen, dass wir noch etwas lernen können. Eine Fremdsprache zu lernen kann absolut herausfordernd sein – ich bin selbst das beste Beispiel dafür. Es sind nicht nur die unzähligen Vokabeln, sondern auch die Aussprache, die Schwierigkeiten bereiten können. Meine Tochter ist vor zwei Jahren nach Taiwan ausgewandert und spricht nun ein wenig Chinesisch. Chinesisch! Das würde bei mir nicht einmal mit totaler Konzentration funktionieren.
Damit kommen wir zum nächsten Punkt: der bewussten Kompetenz. Hier kannst du es, musst dich aber wahnsinnig konzentrieren – also nur mit voller Aufmerksamkeit. Du denkst vor jedem Satz dreimal nach und überlegst dir die Vokabeln sowie die richtige Aussprache.
Schließlich erreichen wir die unbewusste Kompetenz. An diesem Punkt läuft alles wie von selbst. Man spricht und stellt irgendwann fest, dass man sogar in der Fremdsprache denkt und träumt – so habe ich es zumindest gehört.Zurück zu Dämlichkeit, Frust und Verwirrung. In der bewussten Inkompetenz fühlen wir uns dämlich. Wir wissen etwas nicht, sind uns dessen aber bewusst – das wissen wir sicher. An diesem Punkt hören viele mit dem Lernen auf. Wenn du dennoch weitermachst, kommt der Frust. Du lernst und lernst, aber es klappt einfach nicht, denn unser Gehirn ist eigentlich nicht zum Auswendiglernen gemacht. Oder kannst du dich noch an das meiste erinnern, was du in der Schule gelernt hast? Das ist jedenfalls die nächste Einladung, aufzuhören.
Dann kommt laut Klaus Marwitz der nächste Zustand: Verwirrung. Irgendwie wissen wir schon viel mehr, können es aber nicht richtig sortieren. Willst du jetzt wirklich aufhören? Denn nur wenn du weitermachst, erreichst du die bewusste Kompetenz. Viele Erwachsene geben auf und glauben, dass sie Lernschwierigkeiten haben. Dämlichkeit, Frust und Verwirrung sind der Grund dafür. Doch in Wirklichkeit haben Erwachsene ein Gehirn, das viel besser und leichter lernt als das eines Kindes – zumindest die meisten Gehirne.
Aber was hilft gegen Dämlichkeit, Frust und Verwirrung? Da gibt es etwas: Neugier oder Neugierde. Aber was bedeutet das überhaupt?
Laut Wikipedia ist Neugier (auch Neugierde) das als Reiz auftretende Verlangen, Neues zu erfahren und insbesondere Verborgenes kennenzulernen. Wenn die Neugier auf ein Interesse an Wissen ausgerichtet ist, stehen forschungs- oder verstandesmäßige Anteile im Vordergrund. Diese Form der Neugier wird auch Wissbegierde genannt.
Wikipedia erklärt weiter, dass der Begriff schon bei den alten Griechen verwendet wurde: Für Herodot war die Neugier nach historischen Zusammenhängen das Hauptmotiv, Geschichtsschreiber zu werden. Für die ionischen Naturphilosophen war sie der Antrieb, „hinter die Dinge“ schauen zu wollen. Ebenso für Platon, für den das „Staunen“ den Anfang aller Philosophie darstellte. Er sagte: „Das Staunen ist die Einstellung eines Mannes, der die Weisheit wahrhaft liebt; ja, es gibt keinen anderen Anfang der Philosophie als diesen.“
Und wenn wir uns jetzt die Frage stellen, was Neugier auslöst: Es sind Fragen. Fragen erzeugen Neugierde. Vera F. Birkenbihl meint dazu, dass kaum jemand in Deutschland lernt, zu fragen. Wir haben hier eine „Sagekultur“ und keine „Fragekultur“. Deutsche Sagen und nicht Deutsche Fragen.
In ihren Seminaren hat sie mit den Menschen das Fragestellen geübt. Warum? Warum ist die Banane krumm? Viele Kinder hören solche Fragen von ihren Eltern und wenn sie dann in die Schule kommen, wird ihnen erst recht die Lust am Fragen abgewöhnt – und damit auch die Neugier.
Fragen haben eine ungeheure Kraft, und die Qualität unseres Lebens ist direkt davon abhängig. Gewöhne dir wieder an, Fragen zu stellen. Nicht nur beim Lernen haben Fragen eine große Macht; sie können uns auch dabei helfen, uns mit uns selbst zu beschäftigen, unsere Aufmerksamkeit auszurichten und uns für neue Lösungen zu öffnen. Die wichtigste Fähigkeit des menschlichen Geistes könnte darin liegen, die richtigen Fragen zu stellen – denn sie haben das Potenzial, unser Leben innerhalb von Sekunden positiv und radikal zu verändern.
Jetzt kommen wir zu uns selbst. Bewusste Kompetenz oder unbewusste Kompetenz – die ersten Fragen am Morgen geben die Richtung unseres Tages vor. Sie entscheiden darüber, wie tief oder oberflächlich wir das Leben erfahren. Unsere Fragen – nicht die Antworten – verleihen unserer Existenz Klarheit, Richtung und Sinn. Denn jede Frage enthält einen schöpferischen Code; unser Verstand kann ihr nicht widerstehen und folgt ihr bis zur Antwort.
Wenn du unglücklich bist, untersuche die Situation genauer: Welche Fragen musst du dir stellen, um so leiden zu können? Menschen, die glücklich oder erfolgreich sind, stellen sich andere Fragen als unglückliche Menschen! Lausche dem unterschiedlichen Geschmack der folgenden Fragen: „Warum geschieht mir das schon wieder?" versus „Was ist das Geschenk dieser Situation?"
Indem wir bewusst darauf achten, welche Fragen wir uns stellen, können wir unsere Perspektive verändern und unser Leben positiv beeinflussen. Die Art der Fragen, die wir wählen, bestimmt maßgeblich unsere Erfahrungen und unser Wohlbefinden.Erfährst du in einem Bereich deines Lebens keinen Erfolg, stellst du entweder die falschen Fragen oder hältst die richtigen nicht lange genug aufrecht. Da sind wir wieder beim Frust. Viele Menschen suchen nach der richtigen Frage – denn Fragen sind niemals neutral. Sie engen ein oder befreien; ermutigen oder verängstigen uns; lenken den Blick auf Mangel oder Fülle. Die Kunst des erfolgreichen Lebens besteht darin, eine ermächtigende Frage zu finden und sie ausreichend lange zu stellen. Kleine Fragen führen zu einem kleinen Leben; ängstliche Fragen zu einem ängstlichen Leben; Fragen der Liebe zu einem Leben voller Liebe.
Zu viele Menschen hängen in geistigen Netzen kleiner, schäbiger Fragen fest – vorgewebt von Schule, Autoritäten oder Medien. Den intelligentesten Bio-Computer zwischen seinen Ohren mit solchen Fragen zu füttern, ist Wahnsinn. Willst du dein Leben verändern? Dann finde die richtige Frage. Was wäre für dich heute eine gute, kraftvolle Frage? Die Antwort folgt ganz sicher. Und wenn sie mal nicht sofort kommt? Trage die richtige Frage mit Geduld im Herzen. Dann brauchst du dir über Dämlichkeit, Frust und Verwirrung keine Gedanken mehr zu machen.
Indem wir bewusst darauf achten, welche Art von Fragen wir uns stellen, können wir unser Denken und letztlich unser Leben transformieren. Eine kraftvolle Frage kann Türen öffnen und neue Möglichkeiten schaffen, während schwächende Fragen uns in alten Mustern gefangen halten.
Über die Geduld
(von Rainer Maria Rilke)
Man muss den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann, alles ist austragen - und dann gebären...
Man muss Geduld haben.
Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken, eines fremden Tages
in die Antworten hinein.
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